Schreibimpuls: Zwei Perspektiven – zwei Atmosphären
Thema „Eine Person betritt einen ihr fremden Raum“
Aufgabe: Schreibe diese Szene einmal positiv, einmal negativ, ohne die Stimmung zu benennen
Max lief den Hotelflur entlang immer der Nase nach, die von einem verführerischen Duft nach Brötchen und Kaffee zielsicher in Richtung Essensraum gesteuert wurde. Max war gestern Nacht spät im Hotel angekommen und direkt schlafen gegangen. Jetzt war er hungrig und neugierig auf die kulinarischen Köstlichkeiten und seine Reisegruppe.
Er ging die glitzernde Marmor Treppe hinunter und hörte schon das vielstimmige Echo der Gespräche und das helle Lachen der Kinder.
Hinter einem breiten Durchgang lag der Frühstücksraum. Im Hotelplan wurde dieses Stockwerk als Keller bezeichnet, aber das Hotel lag an einem Hang und der Essensraum hatte große Fenster, die sich nach Osten öffneten und die warme Morgensonne hereinließen.
Max nahm sich ein großes Glas frischen Orangensaft und einen Latte Macchiato und stellte beide Gläser auf einen freien Tisch. Nun hatte er die sattsam bekannte Qual der Wahl. Es gab 5 Sorten Müsli, schön arrangiert in altmodischen Flaschen mit breiter Öffnung. Daneben wartete eine Auswahl an Jogurt, Quark und Fruchtsalat auf hungrige Gäste. Gegenüber wurde es deftig: Bacon und Rührei, Würstchen, gegrillte Tomaten und rote Bohnen. Dazu Aufschnitt für eine ganze Kompanie und eine reiche Käseplatte.
Die Düfte ließen Max das Wasser im Mund zusammenlaufen. Sein Frühstückshunger erreichte eine neue Intensität, was sein Bauch durch ein Magenknurren bestätigte.
Max folgte seinem Bauchgefühl und schaufelte einen großen Teller voll mit tierisch leckeren Köstlichkeiten. Sollten doch die Obst- und Gemüse Junkies sich an Frühstücksflocken und Nüssen den Appetit verderben. Eine Ecke weiter gab es frisches Brot und Brötchen, eine perfekte Ergänzung zur fleischgewordenen Schlachtplatte auf dem Teller. Das Frühstück versprach einen wundervollen Tag und Max war bereit ihn in vollen Zügen zu genießen.
Nach Sonnenuntergang kehrte die Gruppe von ihrem Ausflug zu den römischen Villen und Tempeln zurück: Den Kopf voller Eindrücke, die Beine müde und der Bauch leer.
Max freute sich auf das versprochene Abendessen und eilte die Treppen hinunter. Er stolperte über die letzte Stufe, weil das Licht im Treppenhaus eher schummrig leuchtete. Aus der offenen Toilettentür rechts neben dem Speisesaal kamen sehr menschliche Gerüche.
Der Speisesaal war dunkel, es roch nach altem Fett, Abwasser, Spüllauge und Bohnerwachs. Wo war das Abendessen? Mühsam tastete Max die Wände ab und fand einen Lichtschalter. Ein fahles Neonlicht flackerte altersschwach von der Decke. Es brachte dem Raum tiefere Schatten aber weder Helligkeit noch Wärme. Die Tische standen an der gleichen Stelle wie heute morgen, nackt und häßlich, denn ihnen fehlten Tischdecken, Servierten, Besteck und Dekoration. Die Anrichten und Kühlvitrinen waren leer. Ein Kühlschrank brummte verlassen in einer Ecke.
Max starrte ungläubig auf die Szenerie. Nach dem üppigen Festmahl am Morgen hatte er ähnliche Erwarten für das Abendessen gehabt. Seine Nase wand sich angewidert ab und verlangte nach einem Brechreiz. Der Magen hielt knurrend dagegen, dass überhaupt nichts in ihm wäre, dass einem Brechreiz lohnen würde. Unschlüssig tastete sich Max durch den Saal in Richtung des Kühlschrankes. Es war ein altes beiges Modell, wie sie seit 40 Jahren nicht mehr hergestellt wurden. Max zog vorsichtig und dann mit immer mehr Kraft an dem verchromten Griff, bis die Kühlschranktür sich endlich doch widerwillig öffnete. Das Geräusch dabei hätte auch zu einer rostigen Grufttür gepasst. Der Inhalt des Kühlschrankes war ähnlich beschaffen:
Schlappe, labberige, aufgeweichte Brotscheiben die entfernt an ein Sandwich erinnerten, belegt mit etwas das in einem früheren Leben vermutlich Salat, Tomate und Käse war. Alles verpackt in dicker Plastikfolie. Daneben lag ein Zettel vom Personal mit einer Entschuldigung. Sie hätten lange gewartet aber die Verspätung der Gruppe wäre zu groß gewesen und irgendwann sei auch mal Feierabend. Man wünsche dennoch guten Appetit.